2008/12/14

Tall Halaf

Tell Halaf (arabisch: تل حلف) ist ein Siedlungs- und Ruinenhügel in Nordostsyrien. An diesem Ort befand sich in prähistorischer Zeit eine Siedlung der Halaf-Kultur (eponymer Fundort) und in historischer Zeit die Stadt Gozan (auch: Gosan, akkadisch: Guzāna, griechisch: Γαυζανις (Ptolemaios)). Er liegt in unmittelbarer Nähe von Ras Al Ain, im Quellgebiet des Habur.

Inhaltsverzeichnis
1 Grabungen
2 Geschichte
3 Sammlungsgeschichte
4 Herrscher
5 Literatur
6 Weblinks



Grabungen

Tell Halaf wurde 1899 aufgefunden und von 1911 bis 1913 und 1927 bis 1929 von Max von Oppenheim ausgegraben. Dabei wurden unter anderem die Reste einer rund 6000 Jahre alten Siedlung der Halaf-Kultur freigelegt. Der Baudekor eines Palastes aus dem 10. Jahrhundert v. Chr. wurde nach Berlin geschafft, wo er im Zweiten Weltkrieg schwere Schäden davontrug. Die Grabungen werden seit dem Sommer 2006 durch ein syrisch-deutsches Team unter der Leitung von Lutz Martin (Vorderasiatisches Museum Berlin), Mirko Novák (Universität Tübingen), Jörg Becker (Universität Halle) und Abd al-Masih Bagdo (Generaldirektion der Antiken und Museen Damaskus) fortgesetzt. Ziel des vorerst auf fünf Jahre ausgelegten Projektes ist die weitere Freilegung der Bauten auf der Zitadelle sowie die Siedlungsgeschichte der prähistorischen Epochen.


Geschichte

Im Spätneolithikum und im Frühchalkolithikum war der Ort bereits besiedelt und gab einer ganzen Kulturstufe, der Halaf-Zeit (ca. 6000-5300 v. Chr.), ihren Namen. Ihr über weite Bereiche des Vorderen Orients verbreiteter Keramikstil ist durch mehrfarbige geometrische und figürliche Bemalungen gekennzeichnet.

Nach dem Ende der Halaf-Zeit scheint der Ort für einen längeren Zeitraum verlassen gewesen zu sein.

Die Stadt Gozan lag in einem Gebiet, das in der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. das Zentrum des hurritschen Staates Mitanni bildete. Vermutungen zufolge war Gozan hurritisch dominiert, bevor es etwa im 12. oder 11. Jahrhundert die Hauptstadt des aramäischen Staates Bit Bachiani wurde. Der aufgrund von Inschriften am besten belegte aramäische Herrscher war Kapara (der Sohn des Hadiani), der sich einen mit zahlreichen Bildwerken geschmückten Monumentalbau (Hilani) auf der Zitadelle errichten ließ. Aufgrund des Fehlens von Synchronismen lässt sich nur vermuten, dass seine Regentschaft etwa für das 10. oder 9. Jahrhundert v. Chr. anzusetzen ist. Der Assyrerkönig Adad-Nirari II. (911-891) besiegte den Aramäerkönig Abisalāmu (Absalom) und empfing von Gozan Tribut. Wie eine Inschrift vom Tell Fecheriye belegt, wurde die Gegend um Gozan schon im 9. Jahrhundert (wenigstens zeitweilig) als assyrische Provinz betrachtet, wenngleich sie auch zunächst noch durch eine einheimische Dynastie verwaltet wurde. 808 und 759-758 kam es zu aramäischen Aufständen, die von den Assyrern unter Adad-Nirari III. (809-783) und Assur-Dan III. (772-755) niedergeschlagen wurden. Möglicherweise sind es diese Vorgänge, auf die in Jesaja 37,12 Bezug genommen wird.

Die Stadt wurde am Ende des 9. Jahrhunderts Sitz der assyrischen Statthalter der Provinz Guzana - ein Zeichen dafür, dass etwa in diesem Zeitraum die feste Inkorporation Bit Bachianis in das Assyrische Reich betrieben wurde. Diese Statthalter unterstanden nun ihrerseits den Gouverneuren von Nasibina. Im Osten der alten Zitadelle schufen sie sich ihren Palast (Nordostpalast), während in der Unterstadt ein neuer Tempel errichtet wurde. Das kultische und religiöse Zentrum der assyrischen Provinz jedoch lag (wie schon zuvor das des aramäischen Fürstentums) im ca. 3km entfernten Sikani. Eine Reihe assyrischer Texte belegt die hohen Abgaben, die die Provinz in Form von Gerste, Roggen, menschlicher Arbeitskraft und Vieh zu entrichten hatte. Im 2. Buch der Könige 17,6; 18,11 wird erwähnt, dass Juden aus dem Nordreich nach der Zerstörung Samarias 722 v. Chr. außer nach Helach und Medien von den Assyrern auch in die Region Gozan deportiert wurden. Laut 2. Buch der Chronik 5,26 soll schon Tiglat-Pilesar III. (744-727) Juden in diese Region verschleppt haben - möglicherweise handelt es sich hierbei aber in der historischen Rückschau um eine Verwechselung zwischen den Deportationen Tiglat-Pilesars mit denen Sargons II. (722-705). In Texten vom Tell Halaf und einem Brief aus Gozan an Asarhaddon aus dem 7. Jahrhundert finden sich jedenfalls hebräische Namen wie Hoschea, Halbi aus Samaria, Pali-Jahu, Neri-Jahu u. a.

Nach dem Zusammenbruch des Assyrerreiches wurde die Stadt 612 eine babylonische Kolonie. In der Folge verlor sie weiter an Bedeutung, war aber bis in die islamische Zeit hinein besiedelt.


Sammlungsgeschichte

Max von Oppenheim gründete eine Stiftung für seine Ausgrabungen und Forschungen, die Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung. Speziell für die Funde aus Tell Halaf wurde in Berlin-Charlottenburg zwischen den Kriegen das Tell Halaf-Museum in der Franklinstraße errichtet.

Das Museum wurde 1943 von einer Fliegerbombe getroffen und zerstört. Exponate aus Holz, Kalkstein und Gips verbrannten restlos. Oppenheim sorgte dafür, dass die Reste geborgen und in das Kellergewölbe des Pergamonmuseums gebracht wurden. Die Reste der in Tausenden von Bruchstücken geborstene Sammlung befindet sich heute in den Staatlichen Museen Preussischer Kulturbesitz in Berlin. Die Trümmer galten als nicht restaurierbar und gerieten in Vergessenheit.

Seit 2005 werden die Bestände der Max von Oppenheim Sammlung der Staatlichen Museen neu gesichtet und katalogisiert. Dabei werden in akribischer Feinarbeit tausende von Bruchstücken zu teilweise monumentalen Bildwerken zusammengesetzt. Die Arbeit soll 2008 abgeschlossen sein. Die Bildwerke werden daraufhin zunächst auf Reisen gehen und bevor sie im neu konzipierten und restaurierten Pergamonmuseum ausgestellt werden, soll es ca. 2010 in Berlin eine Sonderausstellung rund um das Thema Tell Halaf geben.


Späthethitisches Orthostaten- relief von Tell Halaf, Genien mit Flügelsonne


Herrscher
Kapara, Sohn des Hadiani


Literatur
Winfried Orthmann: Die aramäisch-assyrische Stadt Guzana. Ein Rückblick auf die Ausgrabungen Max von Oppenheims in Tell Halaf. Schriften der Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung. H. 15. Harrassowitz, Wiesbaden 2005. ISBN 3-447-05106-X
U. Dubiel – L. Martin, Stier aus Aleppo in Berlin. Bildwerke vom Tell Halaf (Syrien) werden restauriert, Antike Welt 3/2004, S. 40-43.
G. Teichmann und G. Völger (Hrsg.), Faszination Orient. Max Freiherr von Oppenheim. Forscherm Sammler, Diplomat (Köln, Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung 2003).
Nadja Cholidis, Lutz Martin: Kopf hoch! Mut hoch! und Humor hoch! Der Tell Halaf und sein Ausgräber Max Freiherr von Oppenheim. von Zabern, Mainz 2002. ISBN 3-8053-2853-2
Bob Becking: The fall of Samaria: an historical and archeological study. S. 64-69. Leiden 1992
Gabriele Elsen – Mirko Novak, Der Tall Halāf und das Tall Halāf-Museum, in: Das Altertum 40 (1994) 115-126.
Mirko Novak, Die Religionspolitik der aramäischen Fürstentümer im 1. Jt. v. Chr., in: M. Hutter, S. Hutter-Braunsar (Hrsg.), Offizielle Religion, lokale Kulte und individuelle Religion, Alter Orient und Altes Testament 318. S. 319–346. Münster 2004.
Johannes Friedrich, G. Rudolf Meyer, Arthur Ungnad u. a.: Die Inschriften vom Tell Halaf. Beiheft 6 zu: Archiv für Orientforschung 1940. Nachdruck: Osnabrück 1967
Max Freiherr von Oppenheim: Der Tell Halaf. Eine neue Kultur im ältesten Mesopotamien. F. A. Brockhaus, Leipzig 1931. (Photom. Nachdr. de Gruyter, Berlin 1966.)


Weblinks
Tell Halaf Projekt
http://www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/highlights/h44-tell-halaf.html
Das 27 000-Steine-Puzzle Magazin der Berliner Zeitung vom 13./14. Dezember 2008 Academic

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